Von der Höhle bis zur Stadt der Zukunft

Architektur, Wohnen und Stadtvisionen im Primarschulunterricht

Wieso gibt es so viele unterschiedliche Behausungen? Was beeinflusst die Form, den Ort und die Materialien eines Hauses? Wie stellen wir uns die Häuser und Städte der Zukunft vor? Wie könnte man sie nachhaltiger gestalten? Um diese und andere Fragen geht es in den drei Schulworkshops von Simone Hübscher und Bettina Wittig. Im Interview mit Schule+Kultur erläutern die beiden Architektinnen, weshalb Baukultur den Unterricht bereichern kann.

Was hat euch als Architektinnen dazu bewogen, das Thema «Wohnen» mit Schüler/innen zu erarbeiten?

Die gebaute Umwelt bestimmt unser tägliches Leben. Sie bewirkt, dass wir uns in unserer Stadt wohlfühlen oder dass wir uns nach einer anderen Umgebung sehnen. Oft wird die gebaute Umwelt vor allem von Kindern jedoch kaum bewusst wahrgenommen oder sie nehmen sie als nicht veränderbar hin. Unser Ziel ist es, die Schüler/innen neugierig zu machen und sie für die Umweltgestaltung und Architektur zu sensibilisieren. Daneben ist es uns wichtig, den Kindern die Möglichkeit zu bieten, fantasievoll und kreativ zu arbeiten.

Behausungen und die Art des Wohnens spielen für alle Menschen eine Rolle. Was lernen die Schüler/innen von einer Auseinandersetzung mit dem Thema?

Die Schüler/innen entdecken Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Behausungen von Menschen und Tieren. Sie lernen, was die Form, den Ort und die Materialien eines Hauses beeinflusst. Dies setzen sie anschliessend in eigenen Projekten kreativ um. Im Workshop «Das Sternguckerhaus» geht es andererseits um die Auseinandersetzung mit räumlichen Situationen, die sie beim Entwerfen am Modell entdecken.

Während es im Workshop «Wer wohnt wie?» um das Haus an sich und die Baumaterialien geht und in «Das Sternguckerhaus» die Raumerfahrung im Vordergrund steht, beschäftigt sich «Die Stadt der Zukunft» mit städtebaulichen Visionen und Nachhaltigkeit. Könnt ihr uns von einer besonders innovativen Vision erzählen, wie sich Primarschüler/innen ein zukünftiges Wohnen vorstellen?

Die Primarschüler/innen sind in dieser Hinsicht sehr kreativ. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Entwurf einer gläsernen Kuppel, die sich unter Wasser befindet und sich von dort sowohl laufend als auch schwimmend fortbewegen kann. Sie ist im Inneren durch Pflanzen begrünt und wird aus dem Wasser mit Sauerstoff versorgt. Erreichen kann man von dort ein kleines Schiff an der Wasseroberfläche, das wiederum von einem anderen Kind entworfen wurde. Eine gemeinsame «Zukunftswelt» wird jeweils innerhalb einer kleinen Gruppe erschaffen.

Wie geht ihr methodisch in euren Workshops vor? Wie hoch ist der Anteil an Wissensvermittlung im Vergleich zum praktischen Ausprobieren?

Wissensvermittlung nimmt bei allen drei Projekten den kleineren Teil ein. Im Projekt «Wer wohnt wie?» wird zu Beginn des Workshops Wissen gemeinsam erarbeitet und in Experimenten erforscht. Anschliessend können die Schüler/innen dieses Wissen in einem Modell kreativ umsetzen. In den anderen beiden Projekten kommt der theoretische Teil erst ganz zum Schluss. Wichtig ist uns hier, dass die eigenen kreativen Ideen unvoreingenommen umgesetzt werden können. Der Bezug zur Realität findet erst anschliessend in einer kurzen Sequenz statt. In allen drei Workshops arbeiten die Kinder in zufällig entstehenden Gruppen zusammen und tauschen sich dort untereinander aus.

Baukultur gehört in den meisten Fällen nicht zum alltäglichen Schulstoff. Welche Kompetenzen können die Schüler/innen hinsichtlich des Lehrplans 21 mitnehmen?

Die Schüler/innen lernen im Umgang mit Bildern und Materialien, die von Menschen gestaltete Umwelt wahrzunehmen und an ihr teilzuhaben. Sie lernen, eigene Vorstellungen und Ideen in dem erarbeiteten Rahmen gestaltend umzusetzen. Sie erwerben gestalterische und technische Kompetenzen, die ihnen eine persönliche Auseinandersetzung mit Kultur und Bauen ermöglichen. Sozialkompetenzen werden in Gruppenarbeiten vertieft, gleichzeitig wird selbständiges Arbeiten unterstützt. In der Abschlussrunde geht es um die Reflexion der eigenen Arbeit.

Mögt ihr uns zum Schluss noch verraten, wie ihr selber wohnt und was eure Vorstellung von einem idealen Zuhause ist?

Wie wir auch im Projekt «Das Sternguckerhaus» erläutern, wohnt man in einer Stadt meistens nur auf einer Etage mit weiteren Familien in einem Mehrfamilienhaus, so geht es uns auch. Die Vorstellung von einem idealen Zuhause hängt mit dem jeweiligen Ort zusammen. In einem Wald würden wir gerne in einem kuscheligen Baumhaus wohnen, in der Stadt würde uns eine Wohnung hoch oben in einem Wolkenkratzer mit Blick auf Berge, Stadt und See gefallen. In einem weiten Land würden wir mit einem kleinen, feinen tiny house herumreisen und auf dem Wasser in einem seetauglichen Hausboot schaukeln.


Bettina Wittig und Simone Hübscher waren rund zehn Jahre als Architektinnen in Berlin und Zürich tätig. Seit 2012 widmen sie sich der Baukulturvermittlung als kleines Team «Architektur in der Schule» für Schule+Kultur und andere Institutionen.

Zum Angebot «Wer wohnt wie?» (2.–6. Primarklasse)
Zum Angebot «Stadt der Zukunft» (2.–6. Primarklasse)
Zum Angebot «Das Sternguckerhaus» (3.–5. Primarklasse)

Interview: Schule+Kultur

Foto: Bettina Wittig, Simone Hübscher