Nicole McLaren kann sich vier Stunden am Stück drehen und schafft 3497 Umdrehungen in 60 Minuten. Damit hält die Solokünstlerin, Bühnentänzerin und Tanzpädagogin einen Guinness-Weltrekord im Drehtanz. Sie ist tanzend von Ägypten über Südafrika, Amerika, Mexiko und in Europa aufgetreten und war im amerikanischen Fernsehen in der «Dr. Oz Show» zu sehen, die von Oprah Winfrey mitproduziert wird.
Im Interview gibt Nicole McLaren einen Einblick in ihre Arbeit und den Workshop «Surlimunter», den sie für Schule+Kultur anbietet. Dabei erfahren wir ausserdem, was der Drehtanz mit Gebärdensprache zu tun hat.
Wie kommt man auf die Idee, sich vier Stunden am Stück um die eigene Achse drehen zu wollen?
Ich bin eines schönen Tages aufgewacht und fragte mich: Wie lange kann ich eigentlich drehen? Und so setzte ich mir einfach ein Ziel – 4 Stunden!
Wie trainiert man auf sowas?
Ich drehte wochenlang eine Stunde pro Tag und stellte mich unterschiedlichen mentalen und physischen Herausforderungen. Um ganz bei mir zu bleiben und zu lernen, mich in meiner «meditation in motion» nicht ablenken zu lassen, drehte ich unter freiem Himmel. Und um die Achse zu halten, nutzte ich räumliche Enge… ich drehte im Badezimmer.
Und wie fühlt man sich nach vier Stunden?
Man mäandriert zwischen Technik und Trance. Ich verlor mich in der Musik, verliess mental das Zimmer, die Stadt, die Welt – «I zoomed out». Als der Wecker klingelte, war ich schweissgebadet, erschöpft… und die Socken hatten Löcher. Aber ich fühlte mich so erfüllt wie nie zuvor.
Woher kommt diese Tanzform ursprünglich?
Aus der Türkei. Sie ist fast 800 Jahre alt und wurde von Rumi begründet, einem persischen Dichter, der auch für sein gewaltiges lyrisches Werk berühmt ist. Goethe widmete Rumi ein Kapitel, Madonna vertonte seine Gedichte und Beyoncé nannte ihr Kind Rumi. Der Drehtanz der Derwische ist heute auch ein UNESCO-Weltkulturerbe.
Und was hat Dich als Schweizerin zu dieser aussergewöhnlichen Disziplin geführt?
Ich sah sie einst in einem Theater in Zürich. Ich war Anfang 20, wusste nicht genau wohin in meinem Leben, hatte noch nie vom Drehtanz gehört, wusste nichts vom reichen historisch-kulturellen Erbe – und dann sah ich diese Tänzerin auf der Bühne. Es traf mich wie ein Blitz. Sie drehte und drehte und schien so aufzugehen in diesem «Reisen in Kreisen», es war so innig, so zart und zauberhaft … ich wusste sofort: Das will ich auch.
Neben dem Drehtanz beherrschst du neun Sprachen, darunter die Gebärdensprache, hast einen Master in Germanistik und Anglistik sowie den schwarzen Gurt im Karate. Wie verbindest du diese unterschiedlichen Fähigkeiten in deiner Arbeit?
Karate ist eine Lebensschule – ich verdanke dieser alten japanischen Kampfkunst alles. Sie schenkte mir die mentale Stärke und Disziplin um alles andere im Leben anzupacken. Und Sprache und Tanz? Beides hatte ich schon immer geliebt. Aber ich dachte lange Zeit, dass dies zwei komplett getrennte Disziplinen seien. Bis ich eine gehörlose Familie fröhlich-lebhaft im Bus kommunizieren sah. Ihre Finger flogen wie Schmetterlinge durch die Luft, und ich war baff, als ich realisierte: Das ist ein wahrhafter «Tanz mit den Händen»... und gleichzeitig eine Sprache! Da musste ich natürlich sofort Gebärdensprache lernen.
Für Schule+Kultur bietest du den Workshop «Surlimunter» an. Was erwartet die Schülerinnen und Schüler?
Sie tauchen in zwei Welten ein: ins Derwisch-Drehen und die Gebärdensprache. Beides ist Tanz: Tanz mit den Händen und Tanz mit dem Körper. Kinder drehen sowieso fürs Leben gern. Es fühlt sich an wie fliegen; einfach im Kreis. Und Kinder lieben es, zu gestikulieren – umso mehr, wenn sie gleichzeitig eine «Geheimsprache» lernen. Beides ist sehr niederschwellig und macht einfach mega Spass!
Gibt es bei Deinem Workshop einen Lieblingsmoment?
Definitiv die «Party» am Schluss. Ich bringe originale Trommeln und Tanzröcke aus Ägypten für die Kinder mit, und dazu Tücher, Bänder, Schleier, Reifen mit Perlsträngen und schillernde Flügel – wenn die Kinder dann ausgelassen drehend, tanzend und gestikulierend durch den Raum springen, erblüht ein freudig-fröhliches Feuerwerk an Farben und Formen. Und weil drehen wie ein Surli eben purlimunter macht, sind die Kinder danach alle garantiert «surlimunter»!
Nicole McLaren ist eine international tätige Solokünstlerin, Bühnentänzerin und Tanzpädagogin und hält im Drehtanz einen Guinness-Weltrekord inne. Sie ist in Ägypten, Südafrika, Amerika, Mexiko und in Europa aufgetreten und war als Drehtänzerin im amerikanischen Fernsehen zu sehen. Zur Live-Musik der Kultur-Band Ssassa tanzt sie schweizweit; in Zürich etwa jahrelang im bekannten schwimmenden Theater Herzbaracke. Nicole lebte zehn Jahre in den USA und ist 2021 zurück in die Schweiz gezogen. Sie leitet ihre eigene Drehtanz-Showgruppe: Dervish Dance Division. Nicole hat neun Sprachen gelernt und Germanistik und Anglistik an der Universität Zürich mit dem Master of Arts abgeschlossen. Sie schrieb Artikel in renommierten Tanzmagazinen in Deutschland, Amerika und Australien und gewann den Halima-Award des gleichnamigen deutschen Magazins für ihre «aussergewöhnliche Leistung im Drehtanz».
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Angebot «Surlimunter»
Kindergarten, 1.–6. Primarklasse