Lässt sich Theater programmieren?

Das «Informatiktheater» verbindet zwei unterschiedliche Welten

Informatik ist trocken und langweilig? Nicht beim Informatiktheater. Die Klasse entwickelt mit einer Theaterpädagogin und einem Informatikdidaktiker ein Theaterstück zu einem eigenen Thema. Eine zentrale Rolle spielen dabei digitale Requisiten wie leuchtende Stäbe oder tragbare Displays, die durch einen Mikrocontroller gesteuert werden. Programmiert werden sie von den Kindern und Jugendlichen selbst. Schauspielerisch interessierten Schülerinnen und Schülern wird so ein neuer Zugang zur Informatik ermöglicht und umgekehrt erhalten technisch Interessierte die Chance, auf der Bühne andere Fähigkeiten von sich zu entdecken. Die Spielerinnen und Spieler experimentieren mit den Objekten und entwickeln Schritt für Schritt ihr eigenes Stück.

Im Interview mit Schule+Kultur stellen die Theaterpädagogin Nina Knecht und der Informatikdidaktiker Christian Renggli ihr Angebot vor und erzählen, wie sie die Schülerinnen und Schüler in den Projekten erleben.  
 

Wenn ihr an eure eigene Kindheit und Jugend zurückdenkt: ab welchem Alter hattet ihr regelmässig Zugang zu einem Computer und welche Rolle spielten digitale Geräte im Schulalltag?

Christian Renggli (CR): Ich bin noch aus der Generation, die auf dem Commodore64 Pacman gespielt hat. Die Möglichkeiten waren damals sehr rudimentär. Ich bin eher mit dem Lötkolben gross geworden. 

Nina Knecht (NK): Ich habe den ersten Computer meines Vaters zu seinem Leidwesen mehrere Male zum Abstürzen gebracht, weil ich stundenlang alles damit ausprobiert habe, was ich konnte.

Hattet ihr bereits selber Informatikunterricht? 

CR: Im MNG hatten wir ersten Programmierunterricht auf dem Taschenrechner. Der Wissensvorsprung der Lehrpersonen war zu jener Zeit jedoch meistens sehr klein. 

NK: Im Gymnasium gab es Computer und wir haben damit sogar ein wenig programmiert, aber nur sehr kurz. Grundsätzlich habe ich mir mein Wissen durch «trial and error» selber angeeignet. 

Und wie sah es mit Theater aus?

CR: Die Liebe zum Theater begann bereits in der Jugend. Das geschah jedoch nicht im Schulkontext, sondern in der Pfadi.

NK: Mein Zugang zur Bühne lief bei mir übers Tanzen, das ich während meiner gesamten Kindheit und Jugend leidenschaftlich gerne tat. Zur Theaterpädagogik kam ich eher zufällig etwas später.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Angebot für Schulen an der Schnittstelle dieser beiden Disziplinen zu entwickeln?

CR: Die Verbindung der beiden Bereiche ist schon lange ein grosser Wunsch von mir. Technik und Schauspiel kann mit den leuchtenden Requisiten sehr eng miteinander verwoben werden. Mit dem Informatiktheater möchten wir die Schülerinnen und Schüler erleben lassen, dass Informatik auch sehr kreativ eingesetzt werden kann. 

Wie bringt ihr diese beiden Welten im Workshop konkret zusammen?

CR: Programmieren und Theaterspielen sind im Projekt absolut gleichwertig. Die Kinder und Jugendlichen erforschen zuerst vorprogrammierte Requisiten auf spielerische Art und Weise und lernen diese dann zu programmieren. Am Ende ist auf der Bühne beispielsweise ein magisches Tor zu sehen, welches blau aufleuchtet, wenn ein/e Held/in hindurchschreitet, aber rot, wenn es ein/e Bösewicht/in versucht.

Warum ist Informatiktheater eurer Meinung nach fürs Schulfeld besonders spannend? 

CR: Der verbindende Ansatz ist sowohl für das Modul Medien und Informatik wie auch für das Theater ein Mehrwert. Er stärkt auch die überfachlichen Kompetenzen und passt sehr gut ins Themenfeld Schulentwicklung.

Gibt es Lehrpersonen oder Klassen, denen ihr Informatiktheater besonders empfehlen würdet?

NK: Es passt grundsätzlich für alle Klassen von Zyklus 2 und 3. Natürlich sprechen wir auch Lehrpersonen an, die ihren M&I Unterricht kreativ gestalten möchten. Informatiktheater ist Projektunterricht.

Welche Aufgaben übernehmen die Lehrpersonen im Projekt? Benötigt es eine spezielle Vorbereitung? 

CR: Wir bringen alles nötige Spezialwissen mit. Die Lehrpersonen bekommen eine zweistündige Einführung ins Programmieren und Bedienen der Requisiten, so, dass sie ihre Klasse unterstützen können. Die Lehrpersonen können ihre Kreativität genauso einbringen wie die Schülerinnen und Schüler. Die Klassenführung bleibt bei der Lehrperson. Dazu kommen Organisationsaufgaben, z.B. wenn es eine Aufführung gibt.

Wie erlebt ihr die Schülerinnen und Schüler in den Workshops? Habt ihr genderspezifische Unterschiede beobachtet?

NK: Die Personen mit Programmiererfahrung sind tendenziell eher männlich. Im Verlauf des Projektes wird Programmieren aber auch für die Mädchen zum selbstverständlichen Werkzeug. Die intrinsische Motivation ist nicht mehr genderspezifisch.

Und zum Schluss: Was waren eure bisherigen Lieblingsmomente? 

NK: Ich liebe die Momente, wenn die Schülerinnen und Schüler wieder etwas Neues mit einem der Requisiten erfinden, das so noch nie vorgekommen ist. Im aktuellen Projekt mit einer 5. Primarklasse in Höngg hat die Klasse mit den leuchtenden Stäben eine Rockband gespielt, mit Luftgitarre, Querflöte und Fantasie-Instrumenten. Oder wenn Schülerinnen und Schüler über sich hinauswachsen und die Erwartungen der Lehrpersonen übertreffen. In einem Projekt in Bonstetten spielte ein eher scheuer Schüler einen hinterhältigen digitalen Wegweiser in einem magischen Wald, der die Held/innen verwirrte und dafür sorgte, dass sie nicht mehr aus dem Wald heraus fanden. 

CR: Für mich ist es immer ein Highlight, wenn Programmieren gar nicht mehr etwas besonderes ist, sondern für die Kinder zur Selbstverständlichkeit wird.
 


Christian Renggli ist Fachdidaktiker Medien und Informatik und langjähriger Theaterpädagoge. Er arbeitet sehr gerne mit Schüler/innen unterschiedlichsten Alters – von der Primarschule bis zur Sek II. Ebenso mit Lehrpersonen. 

Nina Knecht ist eine seit über 15 Jahren erfahrene Theaterpädagogin und arbeitet mit allen Altersstufen gerne zusammen. Sie ist spezialisiert auf das Entwickeln neuer Formate und meistens Pionierin mit ihren Projekten. So hat sie u.a. den Verein PRIMA mit gegründet, bei dem Theater mit Kindern unter 4 Jahren gemacht wird.


Angebot «Informatiktheater»
5.–6. Primarklasse, 1.–3. Sekundarklasse
Website Informatiktheater
Trailer

Interview: Schule+Kultur

Foto: Christian Renggli

Foto: Christian Renggli

Foto: Carlotta Holy

Christian Renggli, Fachdidaktiker Medien und Informatik und Theaterpädagoge

Nina Knecht, Theaterpädagogin