Anders im Bild – und jedes Mal anders

Caroline Minjolle erfindet mit den Schüler/innen das Klassenfoto neu

Sich in Szene setzen. Improvisieren. Arrangieren. Posieren. Auslösen. In ihrem Workshop «Anders im Bild» verwandelt die Fotografin und ehemalige Tänzerin Caroline Minjolle das Klassenzimmer in ein Fotostudio. Nach einer kurzen Einführung in die zeitgenössische Fotografie entwickeln die Schülerinnen und Schüler ihre ganz eigenen Versionen von Klassen- und Porträtfotos. 

Dabei muss niemand ernst in die Kamera schauen und gerade sitzen. Ganz im Gegenteil. Die Schülerinnen und Schüler posieren zunächst alleine und in kleinen Gruppen vor der Kamera. Sie werden in ihrer Lieblingsbeschäftigung verewigt. Wer gerne Fussball spielt, bringt einen Ball und seine Nockenschuhe mit, wer gerne liest, setzt sein Lieblingsbuch in Szene, wer in einer Band spielt, posiert mit seinem Instrument. Und wer nichts dabei hat, schnappt sich, was im Klassenzimmer gerade greifbar ist: Giesskannen, Schwämme oder Besen; Stühle, Modelle aus dem Biologieunterricht, Post-its und Papierfetzen – die Ideen sprudeln nur so. Dann kommt die ganze Klasse gemeinsam vor die Linse, am liebsten bunt, lebendig und ausdrucksstark. Während dem Workshop erfahren die Kinder oder Jugendlichen, was neben Technik und Lichtführung ein gelungenes Portrait ausmacht. Caroline Minjolle editiert anschliessend das digitale Bildmaterial und stellt es der Klasse zur Verfügung – beispielsweise für eine Ausstellung im Schulhaus. Aktuelle Fotos aus dem Workshop sind übrigens regelmässig auf der Startseite von schuleundkultur.zh.ch zu sehen.

Im Interview mit Schule+Kultur verrät die Fotografin ihre Tipps für gelungene Klassen- und Porträtfotos und berichtet von ihren Erfahrungen in Zürcher Klassenzimmern. 

Gefällst du dir auf den Klassenfotos aus deiner eigenen Kindheit? Und kannst du dich noch an deren Entstehung erinnern? 

Ich sehe ganz brav aus auf diesen Bildern! Obwohl ich es gar nicht war. Das Klassenfoto war damals stark kodifiziert. Vielleicht ist das Interessante an Klassenfotos, dass sie alle gleich aussehen – egal wo und wann. Ein Kontinuum an Reihen von Gesichtern, ein universelles Format.

Was hat dich dazu inspiriert, dich mit Klassenfotos zu beschäftigen?

Was mich vor allem interessiert hat, ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Portrait / Selbstportrait. Klassenfotos sind ein Teil davon, auch eine Form von Portrait.

Was macht aus deiner Sicht ein gutes Klassen- und Porträtfoto aus? 

Ein gewisses Mass an Authentizität ist wichtig. Extrem retuschierte Bilder berühren mich nicht. Ein lebendiges, buntes Klassenfoto erzählt viel mehr über die Kinder als erzwungenes Lächeln.

Verrätst du uns ein paar praktische Tipps? 

Etwas anderes versuchen! Weg von den Pflichtposen und Gesichtsausdrücken, die man auf Selfies sieht. Humor ist immer eine gute Lösung.

Wie gelingt es dir in deinen Workshops, diese Freude am Experimentieren zu erzeugen?

Ich möchte den Kids vermitteln, dass es nicht darum geht, etwas richtig oder falsch zu machen. Alle Ideen sind willkommen und ich versuche, jede einzelne umzusetzen, sofern sie den zeitlichen und technischen Rahmen nicht komplett sprengen. Die Schülerinnen und Schüler entscheiden. Und das motiviert sie extrem.

Kannst du die kreativen Prozesse, die in diesem Workshop möglich sind, beschreiben?

Ich betone immer, dass Improvisationstalent genauso wichtig ist wie eine leistungsfähige Kamera. Alles, was im unmittelbaren Umfeld steht, soll/kann eingesetzt werden. Das ist ganz entscheidend. Es braucht kein schickes Fotostudio, um interessante Bilder zu kreieren. Ein Klassenzimmer, die Wandtafel, Pulte und farbige Ordner sind ein sehr valables Setting.

Braucht es dein Angebot in Zeiten von Smartphones und TikTok überhaupt noch?

Gerade in Zeiten von TikTok und anderen sozialen Medien brauchen junge Menschen gewisse Bildkompetenzen. Wie zeige ich mich? Was will ich nicht zeigen? Was erzähle ich über mich? Wie kann ich mich von den anderen abheben? Mit welchem visuellen Auftritt will ich mich präsentieren?

Du warst schon in unzähligen Zürcher Klassenzimmern zu Gast. Gibt es Erlebnisse, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?

Es gibt viele davon! Mir gefallen die aha-Erlebnisse besonders gut. Es kommt vor, dass Schüler/innen keine eigenen Accessoires dabeihaben und ideenlos sind, jedoch im Laufe des Workshops inspiriert werden und tolle Bilder von sich machen. Plötzlich stehen sie im Mittelpunkt oder sind Teil einer Komposition und entdecken eine neue Facette von sich selber. 

 


Caroline Minjolle, in Südfrankreich als Zwilling geboren, kam in den 80er Jahren als Balletttänzerin in die Schweiz. Seit ca. 30 Jahren lebt und arbeitet Minjolle in Zürich als freischaffende Fotografin. Den Einstieg in die Fotografie machte sie nach einigen Umwegen, darunter einem Linguistikstudium, als Autodidaktin. Sie übte diverse Tätigkeiten in der Kulturförderung aus und ist Mutter von zwei Söhnen, mit welchen sie das Langzeitprojekt «Rendez-Vous» realisiert hat. Sie ist Mitglied der Fotograf/innen-Kollektive lunax.ch und purple-eye.ch.

Zum Schulangebot «Anders im Bild» 
Buchbar für alle Schulstufen 

Website Caroline Minjolle

Interview: Schule+Kultur

Foto: Caroline Minjolle, entstanden in Wetzikon

Foto: Caroline Minjolle, entstanden in Otelfingen

Foto: Caroline Minjolle, entstanden in Pfungen

Foto: Caroline Minjolle, entstanden in Bubikon

Foto: Caroline Minjolle, entstanden in Wetzikon

Die Fotografin Caroline Minjolle (2023)