Strässle Thomas
Themen: DDR, Flucht in die Schweiz, politisches Asyl, Liebe, wahre Begebenheit
Thomas Strässle, geboren 1972 in Baden, Schweiz, studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Musikwissenschaft in Zürich, Cambridge und Paris. Parallel dazu ließ er sich zum Flötisten ausbilden. Heute ist er Leiter des transdisziplinären Y Instituts an der Hochschule der Künste Bern und Professor für Neuere deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Zürich. Ausserdem ist er Präsident der Max Frisch-Stiftung an der ETH Zürich.
Ablauf Lesung
Autobiografisches und sehr eindrückliches Erzählen dieser wahren Fluchtgeschichte.
Schilderung der wahren Hintergründe der Geschichte; Einbettung in die zeitgeschichtlichen Umstände; Erläuterungen zur deutschen Teilung und zum Kalten Krieg; Diskussion über die Frage, was eine zeitgemässe Novelle ist; Lesung ausgewählter Textpassagen.
Werke
- Roman «Fluchtnovelle», Suhrkamp Verlag, ohne Altersangabe
Leseprobe aus dem Roman «Fluchtnovelle», Suhrkamp Verlag
Die junge Frau auf der anderen Seite des Tisches war die ehemalige Freundin meines Vaters. Sie lebte in einem kleinen Dorf in der Ostschweiz, in überschaubaren Verhältnissen. Man kannte sich. Als Lehrerin war sie im ganzen Dorf beliebt. Ihr Vater stammte aus Leipzig und war unmittelbar vor dem Krieg als Kurarzt nach Arosa und später ins Rheintal in der Nähe von Sargans gezogen. Von Besuchen bei Verwandten und aus deren Erzählungen wusste sie über die politischen Verhältnisse im geteilten Deutschland sehr viel besser Bescheid, als es damals Mitte der sechziger Jahre in der Ostschweiz üblich war. Das machte es meinem Vater leichter, sie für seinen Plan zu gewinnen – einen Plan, der einige Jahre vor meiner Geburt gefasst wurde und ohne den es mich wohl gar nicht gäbe, zumindest nicht so, wie ich bin. Er wollte seine ehemalige Freundin dazu bewegen, einen Schweizer Pass für ihn zu besorgen: auf ihren eigenen Namen, aber mit dem Bild seiner neuen Freundin aus der DDR. Lange hatte er auf sie eingeredet und ihr genau geschildert, was er beabsichtigte. Er hatte herzuleiten versucht, dass die Tat, zu der er sie anstiften wollte, zwar nicht legal war, aber durch ein übergeordnetes moralisches Interesse gerechtfertigt. Die ehemalige Freundin war sehr religiös und hatte Bedenken, einen Betrug zu begehen, der nicht mit ihrem Gewissen zu vereinbaren war. Doch mein Vater konnte sehr ausdauernd sein, wenn er etwas unbedingt wollte
Unterrichtsmaterialien / Links
19.1. bis 23. Januar, noch freie Daten
19.1. bis 23. Januar, noch freie Daten