Jeannette Hunziker, geboren 1985 in Bern. Auf das Studium an der Hochschule der Künste Bern folgten lange Reisen Richtung Osten und nach Asien, wo sie unter anderem die Kunst des Teetrinkens erlernte. Sie war Finalistin am 16. Open Mike Berlin. 2022 wurde sie mit einem Weiterschreiben-Stipendium der Stadt Bern ausgezeichnet. Im Herbst 2024 erschien ihr Prosadebüt «Für immer alles» beim Lenos Verlag.

Ablauf Lesung

Offene und interaktive Lesung, gemeinsames Weiterdenken der Themen im Buch; welche Fragen kommen mir, wie wollen sie ausgedrückt werden, was geschieht im Gespräch darüber?

Werke

• Roman «Für immer alles», Lenos Verlag, 2024

Leseprobe aus dem «Roman Für immer alles», Lenos Verlag, 2024»

Ich mache Spaziergänge in den unmöglichsten Morgenstunden, weil ich erwache und nicht wieder einschlafen kann. Ich gehe vom Haus bis zur am Waldrand gelegenen Verbrennungsanlage und umrunde sie einmal.

Die Autobahn führt direkt neben dem Weg in eine leichte Senke. Die Autos fahren schnell, tauchen, als nippten sie an einer Wasserstelle. Je nachdem, in welche Richtung ich um die Anlage herumgehe, sehe ich entweder ihre roten Rücklichter oder habe die Scheinwerfer im Blick. Das Herzstück der Anlage ist der Schlot. Nicht rund, sondern eckig, höher als der höchste Baum im Wald, mit dem Durchmesser eines Kinderschwimmbeckens. Nachts ist die Öffnung hell beleuchtet, der aussteigende Rauch ein rotblaues, sich ballendes gigantisches Tuch. Manchmal begleitet mich auf diesen Spaziergängen Mural. Die Spaziergänge lassen sich gut mit unseren jeweiligen Gewohnheiten vereinbaren. Wir gehen hinter- oder nebeneinander durch den Wald und sprechen wenig. Mural klingelt bei mir, wenn er Lust auf einen Spaziergang hat oder es Zeit für den Hund ist, rauszugehen. Ich ziehe mir in der Wohnung oben Jacke und Schuhe an und gehe nach unten. Mural wartet neben der Treppe zu meinem Haus am kleinen Tor und raucht. Er raucht und schaut zu den Gleisen. Der Hund dreht sich einmal um sich selbst, wenn er mich aus der Tür treten sieht.