Steiner Tabea, Zürich (CH)
Themen: Selbstermächtigung, Herkunft, Religion, Identität und das Nachdenken über die Welt, die uns umgibt
Tabea Steiner ist Mitorganisatorin von Literaturfestivals, arbeitete in Jurys und gehört zur Autorinnengruppe RAUF. Ihr erster Roman Balg wurde für den Schweizer Buchpreis nominiert. Im Frühjahr 2023 kam der zweite Roman Immer zwei und zwei heraus, und im Herbst 2024 erscheint ihr erster Essayband Heidi kann brauchen, was sie gelernt hat.
Besonderes
eine offene Atmosphäre, in der alle Fragen gestellt werden dürfen
Werke:
- Balg. Roman. edition Bücherlese, Luzern 2019. (Ab 13 Jahren)
- Immer zwei und zwei. Roman. edition Bücherlese, Luzern 2023. (Ab 14 Jahren)
- Heidi kann brauchen, was sie gelernt hat. Essays. edition Bücherlese, Luzern 2024. (Ab 15 Jahren)
Leseprobe aus dem Essayband «Heidi kann brauchen, was sie gelernt hat»
Anfang des Essays «Nach drei Seiten hin Fenster»
Die Wohnung, die ich vor einem halben Jahr bezogen habe, kann durch den Vorder- oder den Hintereingang betreten werden. Um zur vorderen Tür zu gelangen, kommt man an einem japanischen und einem italienischen Restaurant vorbei, an einem Cupcakeladen, einem von Portugiesen geführten internationalen Kiosk, der Heilsarmee-Gassenküche und einem Laden mit afrikanischen Produkten.
Der Weg zur Hintertür führt durch eine niedrige Einfahrt, durch den man in einen Hinterhof gelangt, worin Kinder oft bis spät Ball spielen. Aus den Wohnungen dringen Geräusche und Gerüche nach draussen, im einen Fenster hängt die Schweizerfahne. Das Haus, in dem ich lebe, liegt Rücken an Rücken mit einem teuren spanischen Restaurant, eine der besten Adressen der Stadt, sagt man.
Es ist eine helle Wohnung im Erdgeschoss, nach drei Seiten hin kann man aus dem Fenster schauen. Weil der Empfang schlecht ist, stelle ich mich zum Telefonieren meist ans Wohnzimmerfenster. Draussen gehen Menschen mit Einkaufstaschen und Gemüse vorbei, Autos werden geparkt, Kinder flitzen auf Skateboards herum. Wenn ich das Fenster öffne, kann von aussen beim Vorübergehen in die Wohnung schauen. Es hat etwas seltsam Vertrautes, wenn einem ein Passant in die Augen blickt, der auch telefoniert.
