Die Welt auf der grossen Leinwand

So entsteht das Schulprogramm des Zurich Film Festival

Das Zurich Film Festival stellt seit vielen Jahren ein umfangreiches Filmprogramm für Schulklassen unterschiedlichen Alters zusammen. In Zusammenarbeit mit Schule+Kultur Kanton Zürich und Schulkultur Stadt Zürich zeigt «ZFF für Schulen» Filme über persönliche Entwicklungen junger Menschen im Kontext von relevanten gesellschaftlichen Themen. Unterschiedlichste Genres, Bildsprachen und grossartige Jungdarstellerinnen und -darsteller sind auch in dieser Ausgabe vertreten. Die Vorführungen finden – wenn immer möglich – in Anwesenheit der Filmschaffenden statt und geben den Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit, im Anschluss an die Vorführung direkt Fragen zu stellen.
Doch wie entsteht eigentlich ein Filmprogramm und weshalb soll man überhaupt im Schulkontext ins Kino gehen? Schule+Kultur hat im Vorfeld des 18. Zurich Film Festivals mit Yvonne Augustin, Leiterin von «ZFF für Schulen», gesprochen. 

Gibt es einen Film aus deiner eigenen Schulzeit, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist? 

Ja, das war «Das Dschungelbuch». Und zwar aus dem einzigen Grund, dass es der erste Film war, den ich im Kino gesehen habe. Die Filme, die ich auf der grossen Leinwand sehe, bleiben mir noch heute einfach stärker in Erinnerung. Das ist auch der Grund, weshalb wir uns beim ZFF für das Kino als Ort cineastischer Erfahrung und Begegnung stark machen. 

Kino im Rahmen des Schulunterrichts ist auch heute noch viel unüblicher als beispielsweise ein Theaterbesuch. Zu Unrecht? 

Absolut! Gerade heutzutage, wo Algorithmen steuern, was wir sehen und was nicht, finde ich es besonders wichtig, Schülerinnen und Schülern Zugang zu einem möglichst breiten und vielseitigen kulturellen Angebot zu eröffnen. Man kann natürlich dagegen halten, dass Filme schauen auch zuhause geht. Die kollektive Seh-Erfahrung auf einer grossen Leinwand ist jedoch nicht mit dem Schauen auf dem Laptop oder Smartphone vergleichbar. Zudem werden viele Filme gar nie synchronisiert und sind damit für Kinder ausserhalb eines Festivals wie dem ZFF, wo wir mit einer Live-Synchronisierung arbeiten, nicht zugänglich. Zu guter Letzt sind es natürlich auch unsere internationalen Gäste, die einen besonderen Mehrwert bieten. Wo sonst gibt es die Gelegenheit, gleich nach dem Schauen eines Films dessen Macherinnen und Macher mit Fragen zu löchern?

Nach welchen Kriterien wird das ZFF-Schulprogramm zusammengestellt und was sind die grössten Herausforderungen bei der Programmierung?  

Das allererste Kriterium – und das gilt für alle Filme am ZFF – ist natürlich die Qualität. In künstlerischer und inhaltlicher Hinsicht wollen wir herausragende Kinder- und Jugendfilme aus aller Welt zeigen. Das Programm soll ausserdem verschiedene Länder, Sprachen, Themen und Genres beinhalten, damit für jeden Geschmack etwas dabei ist.
Herausfordernd sind vor allem zwei Dinge: Einerseits ist das Alter, ab dem ein Film freigegeben wird, nicht immer leicht vorhersehbar. Man muss sich also auf die eigene Einschätzung verlassen, den Film einladen und erhält erst später die Freigabe von den Behörden. So muss man dann die Vorauswahl immer wieder anpassen, damit am Ende ein rundes und tolles Programm entsteht. Die zweite grosse Herausforderung ist die Platzierung der Filme in unserem riesigen Festivalkalender. Hier muss auf ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Einschränkungen Rücksicht genommen werden – allen voran natürlich die Anwesenheiten der Filmschaffenden. 

Das Zurich Film Festival hat ein sehr internationales Programm. Wie geht ihr mit den verschiedenen Sprachen in den Filmen und den anschliessenden Gesprächen um? 

Uns ist es sehr wichtig, die Filme in der Originalversion zu zeigen, damit die Nuancen im Schauspiel, die Emotionen, leisen Zwischentöne usw. auch 1:1 vom Publikum wahrgenommen werden können. Da es sich aber vor allem die jüngeren Schülerinnen und Schüler noch nicht gewohnt sind, Untertitel zu lesen, arbeiten wir mit einer Live-Synchronisierung. Dies ist eine extrem herausfordernde Aufgabe, wofür es sehr viel Gespür und langjährige Erfahrung braucht, damit man sowohl den Dialog versteht, aber möglichst wenig vom Originalton «überspricht». Zum Glück können wir hierfür seit vielen Jahren mit der sehr erfahrenen Natascha Noack zusammenarbeiten, welche auch auf der Berlinale die Filme für das junge Publikum einspricht. Um für diejenigen, die die Originalsprache oder die Untertitel verstehen, ebenfalls ein schönes Erlebnis zu bieten, haben wir Kopfhörer, auf denen der Originalton gehört werden kann.

Auf welche Filme im Programm für Schulen freust du dich persönlich besonders? 

Natürlich auf alle – ich habe sie ja ausgewählt (schmunzelt). Wenn ich einzelne herauspicken muss, dann ist einer davon sicher «Shabu». Ich persönlich bin eine sehr fröhliche Person, die gerne tanzt und lacht und bei diesem Film – so denke ich – wird das Publikum tanzend und singend aus dem Saal laufen. Zudem erwarten wir den jungen Protagonisten in Zürich – und ich kann allen garantieren: Shabu ist eine Wucht!
Ein zweiter Film, auf den ich mich freue, ist «My Robot Brother». Dieser Science Fiction-Film, in dem die Kinder nicht mehr das neueste Iphone, sondern den neuesten Androiden haben müssen, um cool zu sein, ist so nahe an der aktuellen Realität und hat mich persönlich so berührt, dass ich extrem gespannt bin auf die Reaktionen und Fragen der Schülerinnen und Schüler im anschliessenden Gespräch. 
Bei einem weiteren Film freue ich mich ganz besonders, ihn auf der grossen Leinwand zu sehen. «Icare and the Minotaur» ist schon auf dem kleinen Laptop-Screen ein solches Fest für die Sinne, dass ich mir kaum ausmalen kann, wie die tollen bunten Farben, die wunderbare Musik und die künstlerische Finesse der detailreichen Animationen auf der grossen Kinoleinwand wirken. 


Yvonne Augustin hat im Bereich Filmwissenschaften der Universität Zürich promoviert. Sie ist «Head of Educational Programme» und «Public Affairs» und in diesem Rahmen für das Programm für Schulen verantwortlich. 

Zum Filmprogramm für Schulen 2022, inklusive Weiterbildungsangebot für Lehrpersonen
Mehr zum Zurich Film Festival

Interview: Schule+Kultur

Lebensfreude pur im Film «Shabu»

Griechische Mythologie in märchenhafter Schönheit im Film «Icare and the Minotaur»

In «My Robot Brother» geht es um die Frage: Wer ist Mensch, wer Android?

Ein voller Kinosaal und viele Fragen bei «ZFF für Schulen»

Yvonne Augustin verantwortet das Programm «ZFF für Schulen»