Die Schönheit der Vielfalt auf der Bühne

Einblick in die Arbeit der inklusiven Tanzcompagnie BewegGrund

Die Berner Cie BewegGrund setzt sich seit 25 Jahren für die Entwicklung des inklusiven Tanzes in der Schweiz ein und realisiert Tanzstücke und Workshops mit Künstlerinnen und Künstlern mit und ohne Behinderung. Durch die kontinuierliche Arbeit erreichte BewegGrund nationale und internationale Ausstrahlung. Die Produktionen der Kompanie wurden an zahlreichen Orten in der Schweiz, in Europa und der ganzen Welt aufgeführt. Im Jahr 2022 wurde BewegGrund vom Bundesamt für Kultur mit dem Schweizer Preis Darstellende Künste ausgezeichnet.

Das erste Kinderstück von BewegGrund heisst «Goodbye Stracciatella» und entstand in Zusammenarbeit mit der Basler Choreografin Tabea Martin. Es setzt sich mit Humor und viel Spielfreude mit dem Thema Verzicht auseinander. Schule+Kultur hat mit Susanne Schneider, Gründerin und künstlerische Leiterin von BewegGrund und des gleichnamigen Festivals, über die Arbeit des Vereins und das neue Stück gesprochen, das im Januar im Tanzhaus Zürich zu sehen sein wird. 

Die Cie BewegGrund feiert dieses Jahr ihren 25. Geburtstag. Was gab damals den Anstoss, den Verein zu gründen? 

Ich habe in England Tanz studiert und dort die erste europäische Tanzkompagnie mit Tanzenden mit und ohne Behinderungen – die Candoco Dance Company – gesehen. Ich war begeistert und wollte eine solche Kompagnie auch in der Schweiz gründen. Das war ein etwas naiver Traum… denn zu dieser Zeit gab es ausser dem Theater Hora in der Schweiz noch kaum künstlerische Arbeit von und mit Menschen mit Behinderungen. Zum Glück fand ich bald Mitstreitende, die mit mir zusammen die Realisierung dieses Traumes in Angriff nahmen.

Wie arbeitet BewegGrund heute und welche Angebote gibt es? 

Wir sind vor und hinter der Bühne ein inklusives Team, das Stücke mit Profis und Laien realisiert, an Schulen und in eigenen Workshops unterrichtet und alle zwei Jahre ein Festival in Bern durchführt. 

Die Tanzstücke beziehen ganz bewusst Menschen mit allen möglichen Formen von Behinderung mit ein. Wie gelingt dieser mehrfache Spagat? 

Indem wir uns immer auf Augenhöhe begegnen. Was brauchst Du? Was können wir gemeinsam machen? Wie können alle ihr volles Potential ausschöpfen? Das sind die Fragen, die wir uns in der künstlerischen wie auch in der pädagogischen Arbeit immer wieder stellen. 

Wie hat sich der gesellschaftliche und politische Stellenwert von inklusiver Kultur in den vergangenen 25 Jahren entwickelt und was konnte BewegGrund dazu beitragen? 

Es gibt zum Glück viel mehr Akteur/innen in der inklusiven Kultur, mehr Vielfalt und Buntheit. Inklusion ist – auch dank der UNO-Behindertenrechtskonvention – in den politischen Agenden weiter nach oben gerückt. Doch ist der Weg zur wirklich gelebten Inklusion noch lange. Bei BewegGrund versuchen wir die Utopie einer inklusiven Gesellschaft zu leben, die Schönheit der Vielfalt auf der Bühne zu zeigen, Rollenmodelle anzubieten und damit zum gesellschaftlichen Wandel beizutragen.

Mit «Goodbye Stracciatella» präsentiert die Cie BewegGrund ihr erstes Kinderstück. Warum eigentlich erst jetzt?

…das wissen wir selber nicht so genau! Wir wollten schon lange ein Stück für Kinder machen und haben auch immer wieder vor Kindern gespielt. Doch erst mit der wunderbaren Choreografin Tabea Martin, die schon diverse Stücke für Kinder gemacht hat, haben wir das auch umsetzen können.

Das Stück richtet sich an 1. bis 2. Primarschulklassen. Was erwartet die Kinder?

Sie dürfen sich auf eine bunte, abwechslungsreiche Aufführung mit zwei tollen Tänzern freuen. Die beiden stellen sich und uns immer wieder die Frage: Brauchst Du das? Eine sehr aktuelle Frage aus unserer Sicht. Das ernste Thema gehen wir mit Humor und auch etwas Verrücktheit an und es wird bestimmt nicht langweilig. 

Im Rahmen des Festivals Blickfelder 2024 wird BewegGrund während mehrerer Wochen an einer Sonderschule im Kanton Zürich präsent sein, Workshops durchführen und ein Projekt erarbeiten. Wie sieht eure partizipative Arbeit in Schulen aus? 

Wir gehen immer mit sehr viel Offenheit und Neugierde in eine Schule – mit kreativen Ideen und Angeboten - aber ohne festen Plan. Wir wollen zusammen mit den Kindern und Lehrkräften entdecken, was wir zusammen kreieren können. Und durch unser inklusives Team bieten wir den Kindern in der Sonderschule ein Rollenmodell von einer Künstlerin mit Behinderung an. Wir sind gespannt, was aus diesen Begegnungen entstehen wird.

 


Susanne Schneider ist Fussgängerin, Tanzpädagogin und Choreografin. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in der Nähe von Bern, ausgebildet an der Universität Fribourg in Pädagogik und am Laban Center London in Community Dance. An der London Contemporary Dance School erlangte sie einen Masterabschluss zum Thema inklusiver Tanz. 1998 war sie Mitbegründerin von BewegGrund und seitdem künstlerische Leiterin.

Zum Schulangebot «Goodbye Stracciatella» 
Fr 26.1.24 / Tanzhaus Zürich
1.-2. Primarklasse

Website BewegGrund

Interview: Schule+Kultur

«Goodbye Stracciatella» von BewegGrund (Foto: Anne Steudler)

«Goodbye Stracciatella» von BewegGrund (Foto: Anne Steudler)

«Mille sens» von BewegGrund (Foto: Sabine Burger)

Susanne Schneider, Gründerin und und künstlerische Leiterin von BewegGrund