Wenn der Kindergarten zum Kino wird

Einblick in die Filmspielreihe «Cinemini»

Nein, ein Kindergarten ist kein Kino und doch verwandelt das Projekt «Cinemini» den Raum in ein kleines Lichtspieltheater. Wo war nochmal der Beamer? Und wo das Verlängerungskabel? Aus einer Allerlei-Kiste kramt die Kindergarten-Lehrperson Christa Bazzigher zwischen farbigen Tüchern und Bilderbüchern das technische Hilfsmaterial heraus. Ein Mädchen drückt einen Stoff-Waschbären an sich und schaut neugierig zu, wie Tische und Stühle weggestellt werden. Zwei Kinder drehen die Storen herunter, damit es dunkel wird. Es ist morgens um 8:45 Uhr im Kindergarten Frauentalweg in Zürich und der Raum verwandelt sich langsam in einen Kinosaal.  

«Und was hat es im Kino?»

«Wer von euch war schon einmal in einem echten Kino?», will «Cinemini»-Projektleiterin Stephanie Knöbl von der Kinderschar wissen, die im Stuhlkreis um die Leinwand sitzt. Mehr als die Hälfte streckt auf. «Und was hat es im Kino?» «Popcorn, Sirup», rufen die Kinder. Allmählich kommen noch mehr Dinge zusammen, die es braucht im Kino: Eine Leinwand, einen Beamer, Kinosessel. Und ein aufmerksames Publikum mit wachen Augen und Ohren.

Die Workshop-Leiterinnen Stephanie Knöbl und Rahel Ilona Eisenring bringen mit «Cinemini» ein Kinoerlebnis in den Kindergarten. Das Ziel ist es, Kindern den ersten spielerischen, künstlerischen und körperlich-sinnlichen Kontakt mit dem Medium Film zu ermöglichen. Dabei fokussiert «Cinemini» auf kreatives Spielen mit Film, mit allen Sinnen, ohne Sprachbarrieren, frei zugänglich für Kinder aller sozialen Hintergründe.

Kinogymnastik

Doch damit das funktioniert, geht es zunächst los mit Kinogymnastik: Die Hände reiben, bis sie warm werden und dann leicht auf die Augen legen. Die Ohren sanft massieren und zum Schluss den ganzen Körper ausschütteln. Und jetzt heisst es hinsetzen. Rahel Ilona Eisenring gibt den Kindern noch eine letzte Anleitung: «Schaut ganz gut zu und achtet darauf: Was seht ihr, was hört ihr?». Und dann heisst es «Film ab» im Kindergarten Frauentalweg. Diesmal sind es vier Filme, jeweils gefolgt von einer entsprechenden interaktiven, bewegten Sequenz. 

Zuerst eine Welle, dann eine Treppe, dann ein Vogel, später ein Kornfeld.

Der erste Kurzfilm ist vorbei, und bevor das junge Publikum unruhig auf den Kindergartenstühlen hin- und herrutschen kann, ruft Stephanie Knöbl den Kindern zu: «Und jetzt stehen wir alle auf und spielen in Pantomime nach, was wir im Film gesehen haben». Zuerst eine Welle, dann eine Treppe, dann ein Vogel, später ein Kornfeld. Genaue Beobachtungsgabe ist gefragt, Erinnerungsvermögen und das Nachahmen.

Znüni-Blues

Nach dem zweiten Kurzfilm zaubern die Filmvermittlerinnen aus einem Stoffsack lange Bambusstangen hervor, an deren Spitze farbige Kreidestifte befestigt sind. Sobald die Kinder die langen Stifte entdecken, rennen sie darauf zu – ein attraktives und begehrtes Arbeitsinstrument! Am Boden liegen lange Bahnen aus Schwarzer Kreide-Tafel. «Nun könnt ihr tanzen und malen gleichzeitig.» Die Kinder bewegen sich zeichnend entlang der schwarzen Bahnen am Boden, es entsteht ein farbiges Gemeinschaftswerk. Es folgt der dritte und vierte Film.

Und nach knapp einer Stunde ist es auch schon vorbei. Christa Bazzigher hängt sich die Gitarre um und stimmt den Znüni-Blues an. Nach dem Singen stürmen die Kinder in den Pausenhof zur Stärkung – ausgerüstet mit neuen Fähigkeiten und Inspirationen für die audiovisuelle Welt. Zwei Kinder kurbeln die Storen hoch – aus dem Kino wird wieder ein Kindergarten.

Was ist Cinemini?

Ziel der Kindergarten-Filmspielreihe «Cinemini» ist es, den Kindern einen ersten spielerischen, kreativen und sinnlichen Zugang zum Medium Film zu ermöglichen. Von klein auf sind Kinder offen für viele verschiedene Formen und Formate von Kunst. Gerade Film ist als audiovisuelles Medium für Kinder besonders attraktiv und zugänglich. Kinder haben nicht nur Spass an bewegten Bildern und lassen sich leicht auf Erzähl- und Dokumentarfilme ein, sondern reagieren auch aktiv auf abstrakte und experimentelle Filme, die ihnen viel Raum für Fantasie lassen.

Der «Cinemini»-Katalog umfasst Kurzfilme aus der ganzen Welt. Das Vermittlungsangebot besteht aus vier Teilen à 60 Minuten, verteilt über einige Wochen oder Monate. Geleitet werden die Workshops von den beiden Filmvermittlerinnen Stephanie Knöbl und Rahel Ilona Eisenring.

 


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Text: Ursula Haas, Geschäftsleitung Roadmovie
Editierung: Schule+Kultur

Foto: «Cinemini» im Kindergarten Bramberg, Luzern

Foto: «Cinemini» im Kindergarten Frauentalweg, Zürich

Foto: «Cinemini» Kindergarten Frauentalweg, Zürich